Pflicht zur Corona-Impfung im Betrieb? Fortführung des Beitrags vom 09.02.2021 (Schnelltests)

Die relativ schnelle Entwicklung gleich mehrerer Corona-Impfstoffe in jüngster Zeit und der Umstand, dass nach derzeitigen Äußerungen der Bundesregierung und auch der Landesregierungen keine umfassende Impfpflicht bei der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 geplant ist, lässt die Frage aufkommen, ob Arbeitgeber eine solche Impfpflicht in ihren Betrieben bei den Mitarbeitern nicht privatrechtlich vereinbaren oder sogar einseitig anordnen können. Dabei gilt derzeit, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer grundsätzlich nicht rechtlich wirksam zu einer solchen Corona-Impfung verpflichten können. Es ist weder aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebs-vereinbarung, aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht noch aus dem individuellen Arbeitsvertrag rechtlich möglich, eine solche Impfpflicht einzuführen.
Denn einer solchen Impfpflicht stehen gewichtige Interessen und Rechtsgüter der Arbeitnehmer entgegen. So würde eine Impfpflicht wegen der mit dem Impfnachweis einhergehenden Erhebung von Gesundheitsdaten nicht nur in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG eingreifen, sondern auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG, weil der Impfstoff mit einer Spritze injiziert wird. Diesen Rechten steht zwar das berechtigte Interesse des Arbeitgebers aus Art. 12 I GG gegenüber, dass seine Belegschaft sich nicht infiziert und der Betrieb nicht aufgrund eines “Corona-Ausbruchs” aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen wird. Pflicht zur Corona-Impfung im Betrieb?Orientiert man sich jedoch an den Wertungen staatlicher Institutionen wie dem STIKO (Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut) und dem Gesetzgeber, der gerade keine umfassende und generelle Impfpflicht vorgesehen hat, dann überwiegen das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer.
Gegenüber der unseres Erachtens nach grundsätzlich zulässigen Möglichkeit, bei einem Corona-Fall im Betrieb Schnelltests anordnen zu können, besteht zudem ein gewichtiger Unterschied bei Impfungen: Die Impfung dient “lediglich” der Prävention. Anders als ein Corona-Schnelltest bei aktuellen Infektionen im Betrieb dient sie nicht der Abwehr akuter und gegenwärtiger Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer. Insofern ist die Impfpflicht – anders als die Verpflichtung zum Schnelltest – grundsätzlich arbeitsrechtlich nicht zulässig.
Eine Ausnahme gilt jedoch für Arbeitnehmer (Ärzte, Krankenpfleger o.Ä), die mit besonders anfälligen Personen im medizinischen Bereich i.S.v. § 2 Nr. 2 ff CoronaImpfV zu tun haben, also insbesondere mit pflegebedürftigen oder älteren Menschen. Bei diesen dürfte es aufgrund des Um-stands, dass ihr Arbeitsinhalt gerade darin besteht, solche Menschen zu schützen und zu pflegen, unseres Erachtens nach rechtlich möglich sein, eine Impfung verpflichtend zu vereinbaren oder den Nachweis einer erfolgten Impfung zu verlangen.
Abgesehen von diesen Fällen ist der Arbeitgeber gut beraten, von seinen Mitarbeitern weder eine Impfung noch den Nachweis einer solchen Impfung zu verlangen. Auch sollten Arbeitgeber solchen Mitarbeitern, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht den Zugang zum Betrieb oder Arbeitsplatz verweigern, da sie sich anderenfalls dem Risiko aussetzen, den Lohn ohne Erhalt der Arbeitsleistung fortzahlen zu müssen. Zudem drohen wegen der unberechtigten Forderung nach einer Impfung oder einem Impfnach-weis Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz und die Datenschutzgrundverordnung.
Sollten in Ihrem Betrieb derartige Fragestellungen und Probleme auftauchen, stehen Ihnen die Fachanwälte für Arbeitsrecht unserer Kanzlei Dr. Albertz und Dr. Kaumanns gerne zur Seite.
Dr. Joachim Albertz Fachanwalt für Arbeitsrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht