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Einbehaltung der Stornoreserve – Unternehmen trägt die Darlegungslast

Möchte das Unternehmen nach der Beendigung eines Handelsvertretervertrags die Stornoreserve des Vertreters einbehalten, trägt es die Darlegungslast. Das hat das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 13.09.2017 entschieden (Az.: 15 U 7/17) und damit die Position des Handelsvertreters gestärkt.

„Unternehmen können nach dem Urteil des OLG Karlsruhe die Stornoreserve des Handelsvertreters nicht einfach mit der Begründung, dass sie vollständig mit Stornierungen verrechnet sei, einbehalten. Vielmehr muss das Unternehmen jeden einzelnen behaupteten Rückzahlungsanspruch darlegen und ggf. auch beweisen können“, sagt Rechtsanwalt Dr. Joachim Albertz, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei MBK Rechtsanwälte.

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Vertreter die Zusammenarbeit mit einem Finanzvertrieb beendet. Vertraglich hatten die Parteien vereinbart, dass von jeder Provision zehn Prozent als Stornoreserve auf ein Rückstellungskonto fließen.  Nach der Beendigung des Vertrags zahlte der Finanzvertrieb die Stornoreserve nicht aus. Dies begründet er damit, dass die Reserve durch Stornierungen vollständig aufgebraucht sei.

Diese Begründung war nach Ansicht des OLG Karlsruhe jedoch viel zu pauschal. Das Unternehmen trage die Beweislast für zu viel gezahlte Provisionen oder Vorschüsse. Es müsse daher jeden konkreten Rückforderungsanspruch auch darlegen und ggf. beweisen können. Demnach muss das Unternehmen bei stornierten Verträgen die Gründe für die Vertragsbeendigung sowie Zeitpunkt und Art der Mahnung benennen können. Zudem muss es den Handelsvertreter über die bestehende Stornogefahr unterrichtet haben. Auch hätten erforderliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Stornierung abzuwenden, selbst wenn diese am Ende erfolglos blieben. Diese Nachbearbeitung muss ausführlich dokumentiert sein und sei nur im Ausnahmefall entbehrlich, so das OLG Karlsruhe.

„Das OLG hat mit diesem Urteil hohe Anforderungen an die Darlegungslast der Unternehmen gestellt und die Position des Handelsvertreters damit entscheidend gestärkt“, so Fachanwalt Dr. Albertz.

Bei der Beendigung von Handelsvertreterverträgen kommt es häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen über vermeintlich noch bestehende Forderungen an den ehemaligen Vertragspartner. Dann ist eine kompetente rechtliche Beratung häufig unerlässlich.

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LAG Hamm: Abgrenzung zwischen selbstständigem Handelsvertreter und Arbeitnehmer

Die Abgrenzung zwischen einem selbstständigen Handelsvertreter und einem abhängig Beschäftigten ist mitunter schwierig. Entscheidend ist nicht nur, ob ein Handelsvertretervertrag oder ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, sondern vor allem auch wie die vertraglichen Inhalte in der Praxis ausgefüllt werden. Das zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Juni 2016. Ein entscheidendes Kriterium für die Tätigkeit eines Handelsvertreters ist demnach auch, dass er seine Arbeitszeit selbst einteilen kann (Az.: 14 Sa 936/17).

„Ob ein Handelsvertreter als Selbstständiger oder Arbeitnehmer einzustufen ist, hat in vielerlei Hinsicht rechtliche Konsequenzen, beispielsweise im Hinblick auf seine Sozialversicherungspflicht oder auch bezüglich seiner Rechte und Pflichten“, sagt Rechtsanwalt Dr. Joachim Albertz, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei MBK Rechtsanwälte.

Grundsätzlich schließt ein Handelsvertreter zwar unter fremden Namen Geschäfte ab, dennoch betreibt er ein eigenständiges Gewerbe. Das bedeutet auch, dass er Zeithoheit über seine Tätigkeit genießt und hinsichtlich seiner Zeiteinteilung nicht weisungsgebunden ist.

In dem Fall, den das LAG Hamm zu entscheiden hatte, war diese Zeithoheit nicht gegeben. Zwischen einem Unternehmen und einer Mitarbeiterin bestand ein schriftlicher Handelsvertretervertrag. Das Unternehmen betrieb ein Callcenter, um Termine mit Kunden zu vereinbaren. Die Handelsvertreter konnten an dem Callcenter teilnehmen, mussten sich aber strikt an die vorgegebene Terminplanung halten. Das führte soweit, dass die klagende Mitarbeiterin Termine für den 3. Oktober, einem gesetzlichen Feiertag, erhielt. Die Frau teilte darauf hin mit, dass sie an Feiertagen nicht arbeite. Das entsprach offenbar nicht der Firmenphilosophie. Nur für Sonntage würden keine Termine vereinbart. Die Mitarbeiterin sollte daher ihre Zeit bis zum Jahresende planen, um derartige Terminabsagen zu vermeiden. Offensichtlich war die Mitarbeiterin aber schon in Ungnade gefallen und kurze Zeit später wurde der Handelsvertretervertrag mit ihr gekündigt.

Dagegen wehrte sie sich. Mit ihrer Klage begehrte sie die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Klage hatte Erfolg. Unter Berücksichtigung aller Umstände kam das LAG Hamm zu der Überzeugung, dass zwischen den Parteien trotz des geschlossenen Handelsvertretervertrags ein Arbeitsverhältnis bestand. Das begründete das LAG damit, dass es im Wesentlichen an einer freien Zeiteinteilung fehle. Das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht beendet worden.

„Unternehmen sollten darauf achten, dass sie Handelsvertreterverträge nicht nur rechtssicher gestalten, sondern sie auch in der Praxis entsprechend mit Leben füllen. Ansonsten kann aus einem Handelsvertreter ein Angestellter mit allen rechtlichen Folgen werden“, so Fachanwalt Dr. Albertz.